Liebe Wallfahrer und Freunde der Serviten.
Im November denken wir wahrscheinlich öfter an unsere Verstorbenen als in den anderen Monaten. Dazu trägt auch der Herbst bei mit seinen Erntegaben und seinen leuchtenden Blättern an den Bäumen, die wie ein letzter Gruß noch einmal ihre ganze Schönheit entfalten, bevor sie die Kälte und der Wind sterben lässt als Hilfe für den kommenden Frühling.
Ich denke auch an die vielen Menschen, die mir im Leben begegnet sind, die mich geprägt haben und jetzt, so hoffe und bete ich, glücklich im Himmel weiterleben. Einige bleiben mir besonders in Erinnerung, es sind die Eltern, Geschwister, Lehrer, Mitschüler, Freunde und Weggefährten. Ich möchte niemanden nennen, weil jeder, der diese Zeilen liest, sofort auch an seine eigenen lieben Verstorbenen denken wird.
Das Leben zeigt uns anschaulich, welchen verborgenen Sinn das Lebens und auch das Sterben hat. Wenn das Kind in der Mutter heranwächst, dann erfährt es die ungeheure Lebenskraft, die ihm mitgegeben wurde. Gott hat den Eltern die Fähigkeit geschenkt, ihrem Kind weiter zu geben, was auch sie geschenkt bekommen haben. Und so wächst der kleine Embryo heran. Er weiß sich geschützt, gewärmt, ernährt und umsorgt von der Mutterliebe. Er ahnt vielleicht schon etwas von der Größe und Schönheit des Lebens, das sich befreien will von der Enge des Mutterschoßes. So kommt die Zeit der Geburt. Es schmerzt das Kind und auch die Mutter, wenn der Weg nach außen sich öffnet als die Pforte zu einem neuen Dasein. So könnte es uns im Tod ergehen. Wenn wir aber geboren sind, die Augen öffnen und diese neue, unbekannte Welt sehen können, mit ihren Farben, Weiten und Wundern, und wenn wir das größte Wunder sehen, die Augen der liebenden Mutter, die uns genährt, getragen, geschützt und gewärmt hat, dann entscheidet es sich, ob wir bereit sind, das neue Leben der Liebe zu umarmen. Es gibt kein Zurück mehr, sondern es ist ein Leben für die Ewigkeit. Auch im Himmel bleiben unsere Verstorbenen mit uns in Verbindung, sie möchten, dass auch wir dieses Glück erfahren, das nie endet. Sie beten für uns bei Gott und sind unsere Fürsprecher. Auch wir sollen sie mit unserem Gebet begleiten, wenn sie die Enge des Todes passieren und sich dann endgültig für Gott entscheiden sollen.
Das ist der Herbst des Lebens, wenn Gott seine Kinder heimholt in seine Herrlichkeit. Hoffentlich sind wir alle dabei! Ich vertraue auf die Barmherzigkeit Gottes.
Ihr P. Gerhard M. Walder OSM